Weinskandal on Tour im Burgenland

Zu Gast bei Christian Tschida

Anfang Juli haben wir die stehende Hitze in Wien nicht mehr ausgehalten und uns auf den Weg ins Burgenland gemacht. Auch nicht viel kühler, aber wenigstens sind wir der Betonwüste entkommen. Am Bahnhof in Purbach empfängt uns Christian Tschida – von hier ist es nur ein kurzer Weg zu seinen Weingärten.

Am Eisner fahren wir nur vorbei, erhaschen einen kurzen Blick auf die knorrigen Syrah Reben, aus denen einmal Felsen II wird. Unser eigentliches Ziel ist aber die Lage Edelberg. Im Laufe der letzten zwei Dekaden hat Christian sich hier mit viel Fingerspitzengefühl und Akribie Stück für Stück seine Weingärten wie ein Mosaik zusammengestellt. Bis zu 300 Meter über dem Meeresspiegel gelegen, hoch oben direkt unter dem Sattel des Leithagebirges, werden sie hinten und seitlich von Wald begrenzt.

Nicht nur der Ausblick ist beeindruckend – auch die Weinberge sind so penibel bearbeitet, dass es fast unwirklich erscheint. Mit der Sonne im Zenit gehen wir durch die Zeilen bis zum höchsten Punkt. Die Luft ist zum Schneiden. Einen Tag vorher wurde noch der Unterstockbereich vorsichtig geräumt – Schutz vor dem immensen Krankheitsdruck ist die Devise. Wichtig ist Christian den Boden nicht zu öffnen, keine starken maschinellen Eingriffe. Das fördere das Wachstum der Reben zu stark. Pflanzenschutz sei kein Hexenwerk, meint er. Wie die meisten anderen beschränkt er sich auf Schwefel, Kupfer, Kompost und etwas Backpulver gegen Pilzbefall.

Mittlerweile sind wir inmitten der Zeilen des Laissez-Faires, auch hier ein prächtiges Bild der Lebendigkeit. Trotz der Hitze. Es ist der Tanz zwischen Wind und frischer Waldluft, der hier ein besonderes Mikroklima in Gang bringt. 9000 Stöcke Riesling auf dem knappen Hektar. Der Zeilenabstand variiert dabei, abwechselnd schmal und etwas breiter – für ihn der perfekte Ausgleich zwischen Pflanzdichte, Selbstbeschattung und angenehmer Bewirtschaftung. Viele Reben auf wenig Fläche, das hat er sich im Burgund und in der Champagne abgeschaut – die Reben wurzeln in die Tiefe, statt in die Breite. Zwingt sie sich tief in den Kalk- und Schieferboden zu graben. Das wiederum ergibt eine hohe natürliche Konzentration an Aromatik und Ausdruck, bei gleichzeitig niedrigem Alkohol.

Wieso es ihn aus Illmitz bis nach Purbach verschlagen hat, fragen wir. Unzählige Fotos von Eisenoxyd, Schiefer, Quarz und Kalkstein später haben wir es verstanden – eine Art Linie zieht sich quer durch die Weinberge. Der obere Teil, nah am Wald, ist kühler und schattiger. Er ist geprägt vom dunklen Schiefer, ein blättriges, poröses Gestein, das die Wärme stark speichert, aber auch Wasser gut durchleitet. Der exponiertere Teil darunter besteht zu großen Teilen aus Kalkstein – in einzelnen Inseln nahezu weiß strahlend. Er speichert  kaum Hitze und bleibt kühl. Das kann man sich vorstellen wie bei geparkten Autos im Sommer. Ein leichter, aber stetiger Wind vermischt die Kühle vom Wald mit der Wärme der Sonne, die sich zusätzlich im See spiegelt – zweifache Belichtung für die Reife der Trauben.
Wein schon in 2020 abgelegt, anstelle dessen geradlinig mit viel Finesse und Grandezza. Wie ein pfeilgenauer Strahl mit viel floraler Würze und der Anmut eines rosa gefärbten Weißweins.

Birdscape 2023 hat die schwierige Aufgabe darauf zu folgen. Die neu gestalteten Etiketten der jungen Wiener Grafikkünstlerin Barbora Keherova, spielen mit dem klassischen ornamentalen Tschida Etikette, wobei aus Engeln und Bachanten Vögel wurden. Jeder Vogel steht für eine der  Rebsorten des gemischten Satzes. Das Potpourri fast ausschließlich roten Traubensorten, die in unterschiedlichster Expositionen innerhalb dieses bunten Gartens auf einem Terroir Mix von Urgestein und Kalk wachsen, ergeben einen Wein, den Christian lange gesucht hat.


Ein Spiel mit unterschiedlichen Reifestadien ergibt einen Wein
 zwischen Rosé und Rot, oder in seinen Worten - Pink Macération. Wunderbar freudvoll, dabei komplex und unkompliziert zugleich, zeigt er sich momentan als unser Favorit.

Mit Winzer Christian Tschida im WeingartenGerade noch inmitten des Weingartens und jetzt im Glas zeigt Laissez-Faire sein Potenzial. Das Wechselspiel aus Dichtpflanzung, perfekter Exposition und enorm mineralischen Böden aus Schiefer, Quarz und Kalk lässt die Trauben kleiner und robuster wachsen. Aus den 9.000 Reben entstehen nur 4.500 Flaschen, keine sonderlich gütige Ausbeute. Christian meint, er benutzt nur die erste Pressung der Trauben, der Rest wird durch Kompostierung wieder in den Weingarten integriert. Sehr pur und rein im Glas – wer einmal Riesling gelesen und die Trauben probiert hat, wird hier unmittelbar daran erinnert. Eine ungeschminkte Interpretation der Rebsorte. Im Keller mache er eigentlich nichts – Ganztraubenpressung, dann ins Stockinger und am Ende in die Flasche.

Oder in seinen eigenen Worten „there is no winemaking“.

 

 

 

In der gastronomischen Diaspora der westlichen Neusiedler Seeseite reicht es nur für einen Caesar Salad und literweise Soda Zitron, bevor Christian uns zurück zum Bahnhof bringt. Während er noch wie eine Mutter bei der Klassenfahrt am Bahnhof wartet, ob wir es auch alle in den Zug geschafft haben, denken wir im Nachhall der Eindrücke der vergangenen Stunden bereits an unsere Pläne für den nächsten Tag.

 

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