Oxidation

Im gleichen Atemzug, in der Reduktion abgefeiert wird, lehnen viele die Oxidation ab. Denn „oxidativ“ wird gerne für zu alte oder zu lang geöffnete Weine verwendet – „der ist drüber“ hört man dann. Das meinen wir aber nicht.

„Es ist der Sauerstoff, der den Wein macht.“
(L. Pasteur,1822-1895)

Dabei scheint der Begriff den meisten verständlicher als Reduktion. Der braun gewordene Apfel im Schulrucksack oder der rostende Nagel im Garten. Doch bei Wein führt er zu Verwirrung und Missverständnissen.

Der natürliche Prozess des Weinmachens ist oxidativ. Sauerstoff ist der Inbegriff von Leben und Vitalität! Die Hefen brauchen ihn zum Überleben, dem Wein gibt es Stabilität. Schon Louis Pasteur hat im 19. Jahrhundert den großen Einfluss von Sauerstoff auf die Gärung erforscht. Das zur Reifung verwendete Holzfass lässt durch seine Poren viel mehr Sauerstoff an den Wein als ein Edelstahltank. Gerade in trockenen Jahren, in denen Nährstoffmangel durch das fehlende Wasser entsteht, arbeiten Winzer:innen immer schon deutlich oxidativer. Sei es durch eine Pressung über viele Stunden oder die Maischegärung in offenen Behältnissen. Wenn die Hefen kaum genug Nährstoffe haben, sollte man sie nicht noch ihrer Luft berauben.

Oxidativer Einfluss gehört also eigentlich, wie das Amen zum Gebet. Ist ganz normal und schmeckt dann oftmals etwas nussig, mandelig oder jodig. Die Frucht wirkt etwas leiser und offener. Oxidation bedeutet, dass die Bausteine im Wein besser zusammenwachsen. Langkettig werden. Die Textur wird dadurch dichter und feiner verwoben. Sie bedeutet auch die Veratmung von Alkohol und Stabilisierung der Aromen. Sie schafft Leichtfüßigkeit und betont den mineralischen Charakter eines Weins.

Es bedeutet, aber nicht gleich Sherry oder Vin Jaune. Süßlich, rosinig oder cremig zu sein. Das sind nur Stile von Weinen die mit Oxidation spielen. Die neue Generation der Champagner Winzer, zum Beispiel, lieben dieses Spiel mit der Luft bei ihren Grundweinen. Es macht die Weine komplex und zeigt keine Spur vom „Altl!“. Oxidation ist für mich meine „terra incognita“, die mich fasziniert. Die ich super sexy finde.

Auch hier haben wir eine Auswahl an oxidativen Weinen zusammengestellt, die euch das Thema näherbringen sollen. Lasst euch überraschen.

Ob Reduktion oder Oxidation, am Ende sind es zwei Seiten derselben Medaille. Worum es geht, ist, dass handwerklich gemachte Weine nicht mit gepimpten Weinen gleichgesetzt werden. Denn die einen verlangen größtes Geschick und Hingabe, die anderen nur einen guten Önologischen Betreuer!

Bleibt wachsam und durstig! Auf uns! Santé!

 

PS: Auch ich gestehe, dass es vor ein paar Jahren kaum etwas Größeres für mich gab als Chardonnay mit Reduktion. Aber panta rhei ;-)

 

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