REDUKTION regiert die Welt!?
Hattet ihr auch schon einmal einen Wein, der beim ersten Reinriechen eigentlich ein bisschen stinkt, euch aber auch nicht ganz loslässt? Irgendwo zwischen Kuriosität und Ungewissheit stehend, laufen uns immer wieder Kund:innen mit großen Fragezeichen in den Augen über den Weg. Kein Wunder! Das, was ihr riecht, nennt sich Reduktion, ist aber nicht ganz leicht zu greifen.
In den letzten Jahren hat sich Reduktion zu einem geflügelten Wort in der Weinwelt gemausert. Früher abgetan als Weinfehler, als Böckser, hat sich dieser Geschmack vom schwarzen Schaf zum gepriesenen Stilmittel entwickelt. Das Geschmacksbild variiert vom „typischen“ Feuerstein über Gerüche von geröstetem Sesam, Reiswaffel oder Popcorn.
Reduktion im Wein entsteht durch viele verschiedene Faktoren, die nur teilweise ausreichend erforscht sind. Generell gesagt aber durch einen Ausbau des Weins ohne viel Sauerstoffeinfluss auf der Hefe. Das Wort leitet sich vom chemischen Prozess ab. Das Redoxpotential ist die Neigung einer Substanz Elektronen aufzunehmen (Reduktion) oder abzugeben (Oxidation). Doch zurück zum Hype!
In unserer Weinbubble sind in den letzten Jahren Begriffe wie „Coche-Dury Stinkerl“*, nach einem ganz berühmten burgundischen Winzer benannt, oder „Steiermark-Reduktion“ Kult geworden. Solche archetypisch reduktiven Weine wurden zum Vorbild für Winzer:innen aus aller Welt. Wenn die Herkunft das aber nicht hergibt, wird einfach tief in die Trickkiste gegriffen. Mostschwefelung, gasdichte Gebinde oder der Einsatz von Trockeneis als Oxidationsschutz, um nur ein paar der Kniffe zu nennen. So entsteht dann ein „Coche-Dury für Schlaue“. In Maßen mag das alles seine Berechtigung haben, doch scheint es mir zu einem Trend zu verkommen, der schamlos geritten wird. Laut statt Substanz. Gerade bei der Reduktion wird Schwefeleinsatz gut merkbar. Die oben genannten Noten werden von einem deutlich wachsigen Ton umspielt, was mir sehr gerne als „Terroir Note“ verkauft wird. Dabei wirken die Aromen sehr festgefahren und verändern sich kaum im Glas. Was wiederum sehr eigenartig ist, denn eine natürliche Reduktion verliert dieses natürliche Stinkerl bei Sauerstoffaufnahme und sollte somit den Geruch verändern! Deswegen werden solche Weine auch gerne dekantiert.
*Coche-Dury ist ein Weingut im Burgund, dass zu den legendärsten Weingütern Frankreichs, wenn nicht der Welt gehört. Es ist berühmt für seinen reduktiven Stil.
Für mich sind solche fixierten Reduktionen, wie der Einsatz von Botox, der Verlust von Schönheit und somit eine Reduktion des Geschmacks.
Dieses Kopieren eines erfolgreichen Stils, unabhängig von der Herkunft, der Rebsorte oder dem Jahrgang erinnert mich an den Rotwein Stil der 90er Jahre. Dort hat man den Stil des Önologen Michel Roland kopierte, der dem einflussreichen Kritiker Robert Parker so gefiel. Damals war das Erfolgsrezept lautes Holz, Extrakt durch maschinelle Konzentration, Gummi arabicum und eine Bordeaux Sorte. Fertig war der Blockbuster.
Heute heißt das Rezept Holz und Reduktion. Ach ja, und Säure. Aber woher sie kommt, scheint egal. Da wundert sich niemand, wenn sie crisp wie Zitrone ist, der Wein aber üppig wie Banane. Solche gepimpten Weine begeistern in Verkostungsreihen gerne, weil sie auffällig sind. Doch ein zweites Mal betrachtet, wirken sie oft schnell ausgezehrt im Glas. Wir fallen zu leicht in die Falle der Vordergründigkeit und sprechen von Potential, anstatt den Wein in Ruhe zu ergründen. Clevere Produzenten nutzten das aus, recht haben sie! Auch eine Art von handwerklichem Wein.
Versteht mich nicht falsch, es gibt fantastische reduktive Weine, die ich sehr schätze, doch wird mir heute zu viel Einfältiges für groß verkauft. Du fragst mich nun, wie soll ich das erkennen? Es ist der Abgang, auf den du schauen musst. Dort findest du den wahren Charakter des Weins. Guter Wein zeigt Länge und hat kein uncharmantes Bitterl und schon gar keinen sudden death. Anstelle dessen ein ewiges Fade out aus feinen Aromen!
Hier findet ihr mehr zum Thema Oxidative Weine.